Woche der pflegenden Angehörigen

Gute Pflege geht uns alle an

Vom 12. bis 18. Mai 2017 fand zum vierten Mal die Woche der pflegenden Angehörigen statt. Ich habe diese Woche genutzt, um Pflegeeinrichtungen und Veranstaltungen zu besuchen und mit zahlreichen Menschen ins Gespräch zu kommen, die tagtäglich Pflegearbeit leisten. So erfuhr ich, wie gute Pflege aussehen kann, wie wir Pflege interkulturell öffnen können und welche Perspektiven Angehörigen nach der Pflegezeit offenstehen.

Eine Alternative zu Pflegeheimen

In der Demenz-WG Dosteli sprach ich mit der Geschäftsführerin Safiye Ergün und Nazife Sari, die das Projekt interkulturelle Brückenbauerinnen in der Pflege (IBIP) leitet. Die Rudower Wohngemeinschaft besteht seit diesem Jahr und richtet sich speziell an türkische Senior*innen, die mit Demenz leben. Pflege-WGs sind eine relativ neue Alternative zu Pflegeheimen, die zunehmend an Beliebtheit gewinnt. Pflegebedürftige können hier als Mieter*innen ein weitgehend selbständiges Leben führen, ohne auf professionelle Pflege und Betreuung verzichten zu müssen. Vor Ort tauschten wir unsere Ideen darüber aus, wie eine interkulturelle Pflege aussehen kann, was sie braucht und welche Perspektiven Angehörigen nach der Pflegezeit offen stehen.

In Berlin leisten rund 200.000 Menschen die Betreuung und Pflege von eigenen Angehörigen. Das heißt, dass nicht nur zwei Drittel der zu Pflegenden von Angehörigen gepflegt werden, sondern 50 Prozent sogar ohne jegliche professionelle Unterstützung. Das betrifft insbesondere russisch- und türkischsprachige Menschen, da es an mehrsprachigen und kultursensiblen Pflegeangeboten mangelt und der Zugang zu Informationen für sie oft erschwert ist.

Wertschätzung für pflegende Angehörige

Stellvertretend für diese vielen engagierten Menschen bekamen am 13. Mai zehn Angehörige die Ehrennadel „Berliner Pflegebär“ und erstmals auch den bundesweiten „Pflegecompass“ verliehen. Dilek Kolat, Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, die Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und acht weitere Laudator*innen überreichten die Auszeichnungen, um Respekt und Anerkennung für diese wichtige Arbeit auszudrücken, die die pflegenden Angehörigen seit Jahren täglich leisten. Von diesem Engagement profitiert unsere gesamte Gesellschaft, dafür können wir uns gar nicht genug bedanken.

Für gute (Arbeits-)Bedingungen in der Pflege

Am Tag der Pflegenden beteiligte ich mich außerdem an einer Aktion für bessere Bedingungen in der Pflege: gute Arbeitsbedingungen, ein Ende der Minutenpflege, die interkulturelle Öffnung der Angebote und mehr Wertschätzung für Pflegefachkräfte und pflegende Angehörige. Der Mensch muss hier endlich wieder im Mittelpunkt stehen! Der Verein Pflege in Bewegung hatte die Aktion organisiert, um Politik und Pflegekonzerne mit einer „Bundesweite Gefährdungsanzeige“ auf die Missstände hinzuweisen. Mit dabei waren viele Pflegefachkräfte, pflegende Angehörige und einige Kolleg*innen – Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, und Taylan Kurt, der sich in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte engagiert, beteiligten sich ebenfalls an der Aktion.

Pflege und Beratung interkulturell öffnen

Pflegearbeit in der Familie wird in der Regel von Frauen geleistet, die häufig am Ende ihrer Tätigkeit von Arbeitslosigkeit und Altersarmut betroffen sind. Deshalb setze ich mich dafür ein, die Beratungs- und Angebotsstruktur auch für pflegende Angehörige interkulturell zu öffnen: Alle sollen gerechte Chancen haben, sich zu informieren und selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Um Arbeitslosigkeit und Altersarmut vorzubeugen, müssen wir Qualifizierungsangebote und (neue) berufliche Perspektiven nach der Pflegetätigkeit schaffen.

Um die interkulturelle Öffnung der Pflege ging es auch bei meinem Besuch bei der Lebenshilfe Berlin in Neukölln. Seit fünf Jahren findet hier interkulturelle Beratung zu allen Fragen rund um das Thema Behinderung statt. Das Angebot ist niedrigschwellig, herzlich und flexibel. Ich nehme mit: „Pädagogische Betreuung muss nicht interkulturell sein, aber der Zugang zu den Menschen.“

Wir brauchen endlich gute Arbeitsbedingungen in der Pflege, damit wieder der Mensch im Mittelpunkt steht. Auch pflegende Angehörige benötigen endlich die Aufmerksamkeit, die ihnen gebührt. Gute Pflege geht uns alle an, denn sie ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Auch nächstes Jahr wird wieder eine Woche der pflegenden Angehörigen stattfinden – ich freue mich schon!

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