Klimaschutz oder voller Kühlschrank? Klimagerechtigkeit und Teilhabe als soziale Frage unserer Zeit.

Im Rahmen der Klimakonferenz Berlin for Future: Wie gelingt radikal-vernünftiger Klimaschutz der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus am 22.1.2021 habe ich in Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Eva Marie Plonske, Sprecherin für Wissenschaft und Forschung den Workshop zum Thema Klimagerechtigkeit und sozialer Teilhabe organisiert und moderiert.

Radikaler Klimaschutz als grüne Antwort auf das drängendste Problem unserer Zeit erzeugt bei Menschen mit geringen Einkommen oft Besorgnis. Sieben Cent mehr für den Liter Benzin oder eine erneute Preiserhöhung beim Strom machen die Energiewende im direkten Erleben häufig zum Preistreiber. Damit wird Klimaschutz zu aller erst eine ganz persönliche Belastung im eigenen Portemonnaie. Die Auseinandersetzung mit Klimaschutzfragen braucht Zeit und Muße. Prekäre Arbeitsbedingungen, Wohnungsnot und Alltagssorgen sind jedoch häufig persönlich näher als der drohende Anstieg des Meeresspiegels. Eine klimaneutrale Umgestaltung unserer Wirtschaft und Gesellschaft muss daher sozial gerecht sein. Klimaschutzmaßnahmen müssen sich daran messen lassen, inwiefern sozial benachteiligte Menschen durch diese nicht zusätzlich finanziell belastet oder ausgeschlossen werden. Denn radikal-vernünftiger Klimaschutz kann nur gelingen, wenn er soziale Ungleichheiten nicht verstärkt, sondern bestenfalls vermindert.

Gemeinsam mit Expert*innen, Aktivist*innen und interessierten Berliner*innen konnten wir einen Bogen von den wissenschaftlich notwendigen Schritten zu den alltäglichen Hürden beim Klimaschutz schlagen und nach Lösungen und Wegen hin zu einem wirklich sozialen Klimaschutz suchen. Als erste unserer drei Inputgeberinnen sprach sich Verena Bentele (Präsidentin Sozialverband VdK Deutschland) u.a. für eine deutlich höhere Mobilitätspauschale aus. Die Barrierefreiheit und Bezahlbarkeit des ÖPNV, sowie geeignete Alternativlösungen für den ländlichen Raum müssen hier im Fokus stehen und im Dialog mit Betroffenen weiterentwickelt werden. Als zweite Inputgeberin stellte Dr. Julika Weiß (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung) den Ansatz der sozial-ökologischen Forschung vor und erläuterte diesen anhand eines Forschungsprojektes zu energetischen Sanierungen und Mieter*innenschutz in Berlin. Häufig entstehen hier Zielkonflikte, die adressiert werden müssen. Als positiv Beispiel führte sie energetische Sanierungen an, die sowohl Mieter*innen als auch Vermieter*innen finanziell entlasten. Als dritte Inputgeberin berichtete Dipl. Biologin Gülcan Nitsch (Yeşil Çember) von ihrer Arbeit in der interkulturellen Umweltbildung. „Wenn wir einen wirklich sozial-ökologischen Wandel wollen, der alle mitnimmt, müssen wir auch interkulturell für den Klimaschutz mobilisieren“ sagt sie. Bei Yeşil Çember funktioniert das über wertschätzende Kommunikation, niederschwellige Angebote, einem Feingefühl für kulturelle Besonderheiten und Empowerment. Im Rahmen der anschließenden Diskussion erinnerte Constantin Grosch (Sozialhelden e.V.) daran, dass der Umbau der Wohnungswirtschaft gleichermaßen für den ökologischen Wandel, sowie das Schaffen von Barrierefreiheit genutzt werden müsse und auch die Privatwirtschaft dabei nicht aus der Verantwortung genommen werden darf.

Die Ergebnisse des Workshops fassen wir für uns wie folgt zusammen:

  1. Grüne Klimaschutzpolitik orientiert sich am Verursacherprinzip. Geringverdiener*innen, Transferleistungsempfänger*innen und Menschen mit Behinderung dürfen durch Klimaschutzmaßnahmen nicht stärker belastet werden, besser noch sogar entlastet werden, als Personen mit höherem Einkommen.
  1. Bei der sozial-ökologischen Transformation müssen wir alle mitnehmen. Dafür braucht es eine Verwaltung, die barrierearm und diversitätssensibel agiert. Der Diskurs darf nicht unabhängig von den sozialen Kosten geführt werden, sondern muss diese einbeziehen und ausgleichen.
  1. Die Energie- und Mobilitätswende kann nur gelingen, wenn wir alle Menschen in den Prozess einbinden können. Wir brauchen daher eine durchgehende Partizipation aller Gesellschaftsgruppen, insbesondere von Menschen mit geringen Einkommen. Barrierefreiheit und Klimaneutralität beim Umbau unserer Stadt zusammenzudenken, kann im Ergebnis alle mitnehmen.

Mehr Infos zur Veranstaltung auf: https://berlin-for-future.de/

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