Wir beschäftigen uns nun seit Beginn der Pandemie mit diesem eigentlich unsäglichen Thema. Die damaligen Bilder und Nachrichten aus Bergamo, inklusive der Triagierung vor Ort, haben insbesondere bei Menschen mit Behinderungen und Senior*innen große Ängste hervorgebracht. Werde ich bei einer ähnlichen Situation wie in Bergamo gut versorgt? Was passiert wenn auch bei uns die Intensivstationen überlasten?
Wir beschäftigen uns in der Politik mit unglaublich vielen und unterschiedlichen Themenfeldern. Die Triage ist für mich das bisher schwerste. Ich habe die große Hoffnung auf eine gute Strategie im Umgang, möchte, dass wir einen gesellschaftlichen Kompromiss finden. Gleichzeitig frage ich mich aber, ist dies überhaupt möglich? Gibt es einen Königsweg bei der Triage? Desto mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto frustrierter bin ich. Es gibt keine Schuldigen, es gibt niemanden der diese Situation wünscht. Alle, wirklich alle – seien es Betroffene, Ärzte oder wir in der Politik hoffen, beten und tun alles um niemanden in diese Situation zu bringen. Auch ich und meine Kolleg*innen in der Fraktion sind nach einem Jahr Pandemie müde, auch wir wollen im Café sitzen oder einfach mal in den Urlaub fahren. Wir verzichten auch, um eben keine Triagierung im großen Stil erleben zu müssen. Ärzt*innen und auch Pflegekräfte treffen im Alltag viele Entscheidungen die über Leben und Tod entscheiden können. Der kleinste Fehler auf einer Intensivstation kann zum Tode führen. Ob wir nun klatschen, die Menschen gut bezahlen oder was auch immer, sie verdienen unseren Dank.
Sie verdienen es aber auch, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und Ihnen damit auch den Rücken stärken. Laut meiner Anfrage hat die Senatsverwaltung mit dem „HILFE-Berlin@Covid-19“ eine erste Unterstützung in dieser Frage geliefert. Hier wurden zahlreiche Empfehlungen aus den Fachgesellschaften für die Intensivstationen zusammengefasst. Bisher mussten keine Entscheidungen getroffen werden – die Senatsverwaltung hat auch die Hoffnung, dass durch eine gute Kooperation der Krankenhäuser die Situation so bleiben wird. Zum Zeitpunkt meiner Anfrage stiegen die Zahlen gerade dramatisch an. Wir hoffen derzeit auf einen anhaltenden sinkenden Trend. Damit einher geht auch die Hoffnung auf weniger Menschen auf den Intensivstationen. Die steigende Zahl der Impfungen macht uns Hoffnung auf einen Ausweg.
Triagen werden derzeit in voller Verantwortung der Ärzt*innenschaft durchgeführt. Dabei sollen die Kolleg*innen nach dem Mehr-Augen-Prinzip vorgehen. Auch Pflegekräfte und Medizinethiker*innen sollen mit in die Entscheidung einbezogen werden. Eine gesetzliche Regelung gibt es nicht. Diese müsste auch durch den Bundesgesetzgeber geschaffen werden.
Was wirklich kritisch zu bewerten ist, ist, dass bisher noch keine Gespräche auch mit den Verbänden der möglicherweise Betroffenen geführt wurden. Die Triagierung ist eine medizinische Entscheidung. Ärzt*innen arbeiten aber nicht im gesellschaftlich luftleerem Raume. Bei der Erstellung von Handlungsempfehlungen oder Gesetzen bezüglich der Triage brauchen wir daher dringend einen Einbezug insbesondere derer, die unter Umständen besonders im Prozess leiden würden.
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-27276.pdf
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