Mein Redebeitrag zum Gesetzentwurf über die Stärkung der Rechte für Menschen mit Behinderungen

In meiner Rede in der letzten Sitzung des Plenums vor der Sommerpause, gehe ich auf die Neufassung des LGBG in Berlins ein. Gemeinsam schaffen wir hier ein Gesetz das die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Berlin weiter stärken wird!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen! Sehr geehrte Berliner*innen,

„Wheel map“- so heisst ein Projekt, dass digital darstellen kann, wo Zugänge im Straßenverkehr barrierefrei funktionieren oder eben auch nicht. Das Projekt ist open data basiert und der Impuls kommt aus der Stadtgesellschaft. In diesem Fall von den „Sozialhelden, “einem Verein, der sich seit Jahren für mehr Barrierefreiheit und Teilhabe für Menschen mit Behinderungen einsetzt, Städte berät, aber auch selbst digitale Lösungen entwickelt. Ich möchte daher als erstes all denjenigen Menschen Danke sagen, die in unserer Stadt die Barrierefreiheit nach vorne bringen, nicht müde werden auf die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen hinzuweisen und uns damit alle in die Pflicht nehmen. Danke, dass Sie voran gehen! Vor knapp zwei Jahren habe ich hier zum Berliner Teilhabegesetz gesprochen. Damals wie heute ist klar: 1. Inklusion ist ein verbrieftes Menschenrecht und 2. unser Job ist es ihm zur Durchsetzung zu helfen. Daher freue ich mich sehr über diese Priorität der Kolleg*innen der SPD, die das Thema am Ende der Legislatur für sich entdeckt zu haben scheinen. Lassen Sie mich kurz zurückschauen: Dieses Gesetz schafft etwas ganz Zentrales: Das rein medizinische, defizitorientierte, Verständnis von Behinderung wird endlich ad acta gelegt. Das Gesetz schafft einen Anspruch auf angemessene Vorkehrungen; es hat einen sehr weiten Begriff von Barrierefreiheit. Es schafft eine Landesfachstelle für Barrierefreiheit und den Ausbau der Partizipation von Menschen mit Behinderungen durch die Stärkung von Strukturen, die ihre Selbstbestimmung in den Fokus nehmen. Mit den Arbeitsgruppen für Menschen mit Behinderungen bei allen Senatsverwaltungen werden wichtige Beteiligungsstrukturen etabliert.

Das LGBG stärkt die Beauftragte für Menschen mit Behinderungen auf der Landesebene. Und: Der Geltungsbereich wird auf unser Parlament, auf die Gerichte und Behörden der Staatsanwaltschaften ausgeweitet. Sie alle unterliegen der staatlichen Pflichtdimension. Es ist ein gutes Gesetz. Aber es ist noch ein gutes Stück Arbeit vor uns zur Umsetzung.

Wir haben als zweites Bundesland ein Behindertenparlament etabliert, auch hier kamen die zentralen Impulse aus der Stadt selbst. An dieser Stelle ein großes Danke an Christian Specht und der Lebenshilfe, Frau Bendzuck und ihrem Verein „Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin“, Dominik Peter vom Berliner Behindertenverband und Christian Peth von der Parität, und viele weitere, die der Idee zur Durchsetzung verholfen haben. Das Parlament hat zweimal -wenn auch anders als geplant – getagt. Es ist ein Arbeitsbündnis zahlreicher Organisationen der Selbsthilfe. Ich freue mich sehr über diesen „Beschleuniger für mehr echte Mitbestimmung“ wie sie sich selbst beschreiben. Anrede, Mir ist wichtig, dass wir uns klarmachen, auf welcher Grundlage das vorliegende Gesetzesvorhaben und damit unsere heutige Auseinandersetzung eigentlich fußen: Berlin hat schon vor 15 Jahren den Handlungsbedarf gesehen und ist mit dem LGBG einen wichtigen Schritt gegangen, um gegen die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung vorzugehen. Anschließend, wurde das Gesetz durch Einzelnovellen angepasst und erweitert. Nun stehen wir vor einem weiteren wichtigen Schritt, der für die Betroffenen echte Verbesserungen bringen wird. Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde vor über 12 Jahren ratifiziert und ist nun geltendes Recht in Deutschland.

Liebe Kolleg*innen,mit dem vorliegenden Gesetz kommen wir der Verantwortung nach, Menschen mit Behinderung Selbstbestimmung und Teilhabe zu ermöglichen. Es geht darum die Prinzipien und Verpflichtungen, die die Ratifizierung mit sich gebracht hat, anzunehmen und Sorge dafür zu tragen, dass Sie auch umgesetzt werden! Konkret heißt das: Wir müssen dafür einstehen, Partizipation zu ermöglichen, Diskriminierung zu bekämpfen und für Chancengleichheit zu sorgen. Wir müssen für die unteilbaren Rechte des Einzelnen einstehen und Selbstbestimmung und Inklusion als unabkömmlichen Standard festschreiben und etablieren. Dies gilt selbstverständlich für alle Menschen mit Behinderung in dieser Stadt, unabhängig von der Art und Schwere ihrer Behinderung und unter Einbeziehung der Intersektionalität. Liebe Kolleg*innen was heißt das ganz praktisch? Wir sorgen u.a. dafür,

• dass Barrierefreiheit gewährleistet wird und eine Landesfachstelle Sorge dafür trägt;

• dass Barrierefreiheit eben auch Auffindbarkeit bedeutet, insbesondere für sehbehinderte und blinde Menschen;

• dass die Definition von Behinderung an die der UN-BRK angepasst wird;

• das zentrale Steuerungs- und Koordinierungsstellen aufgebaut und auch auf Senatsebene eingesetzt werden;

• dass der Stellenwert von Leichter Sprache im Gesetz verankert wird;

• dass Beteiligungs- aber auch Klagerechte einen größeren Stellenwert erhalten.

Aber wir haben mit dem Gesetzesvorhaben noch nicht das Ziel erreicht: Die uneingeschränkte Teilhabe aller Menschen mit Behinderung! Das „Deutsche Institut für Menschenrechte“, genauer die „Monitoring-Stelle UN-BRK“ begleitet seit 2012 als „Monitoring-Stelle Berlin“ im Auftrag des Landes die Umsetzung der UN-BRK in Berlin. Und ich möchte an dieser Stelle für meine Fraktion unseren Dank für die durchweg qualitativ hochwertige und auch kritische Begleitung aussprechen. Aus dieser Begleitung entstanden sind Anmerkungen und Erweiterungsvorschläge, die ich als Fachpolitikerin nur unterstützen kann. Die intendierte, noch stärkere Förderung der Partizipation, ein Verfahren zur Normenprüfung, oder auch eine unabhängige Monitoringstelle sind nicht einfach nur ein nettes Beiwerk. Sie sollten ein elementarer Bestandteil des Gesetzes sein!

Auch könnte eine Schlichtungsstelle niedrigschwellig für eine außergerichtliche Einigung in Konfliktfällen sorgen. Lassen Sie mich an dieser Stelle zwei Punkte zur Förderung der politischen Partizipation herausgreifen: Nach dem Vorbild des Bundes-Gleichstellungsgesetzes haben bereits fünf Bundesländer einen Partizipationsfonds aufgelegt, um die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen nachhaltig zu unterstützen. Dies ist in Berlin bislang nicht umgesetzt. Dabei werden selbst im neuen § 17 Absatz 3 LGBG die Senatsverwaltungen angehalten ein Umfeld zu fördern, in dem Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt und selbstbestimmt an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten teilhaben können. Auch Menschen mit Behinderungen sollen in Berlin gleichberechtigt die Chance haben, sich politisch ehrenamtlich als Interessensvertreter*innen zu engagieren. Ein weiterer Punkt der zu stärkenden Partizipationsrechte betrifft den Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen als höchstes Gremium der Interessenvertretung auf Landesebene. In Berlin berät der Landesbeirat lediglich die Landesbeauftragte, die ihrerseits den Beratungsauftrag der Landesregierung wahrnimmt. Dabei sind für die Landesbeiräte bereits in 9 Bundesländern direkte Beratungsrechte der Landesregierung festgeschrieben, in 6 Bundesländern besteht eine Anhörungspflicht des Landesbeirats vor Gesetzentwürfen, Verordnungen etc. Die indirekte Beteiligung des Landesbeirats entspricht bei Weitem nicht den Partizipationsstandards der UN-BRK und eben auch nicht mehr dem Goldstandard der Beteiligung im Bundesdeutschen Ländervergleich. Als Fachpolitikerin stehe ich gänzlich hinter solchen Forderungen.

Wirsprechen heute in erster Lesung über das LGBG. Mit Blick auf die zeitliche Koordinierung müssen wir aufpassen, dass wir das Erreichte nicht aus den Augen verlieren. Deshalb spreche ich mich in allen Fällen für die Prüfung von Erweiterungen aus, möchte aber aus praktikablen Gründen, und ich verstehe hier auch möglichen Unmut, davon absehen Änderungen vorzunehmen, die unseren gesamten Abschluss gefährden. Wir setzen uns im parlamentarischen Verfahren jedoch dafür ein, zukünftige Erweiterungen wie bei einem mitwachsenden Haus mit in dieses Fundament einzuplanen. Denn: wir als Grüne stehen vollumfänglich hinter der UN-BRK und wir werden uns zukünftig, genauso wie wir es bislang getan haben für eine uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Behinderung einsetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Video unter:

https://www.rbb-online.de/imparlament/berlin/2021/17–juni-2021/17-juni-2021—81–Sitzung-des-Berliner-Abgeordnetenhauses1/fadime-topac–buendnis-90—die-gruenen—top3-6-.html

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