Rede im Parlament zu Menschen ohne Obdach

In meiner Rede in der Plenarsitzung vom 17.09.2020 reagiere ich auf zwei Anträge der CDU zu Menschen ohne Obdach in Berlin. Hier meine Rede:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen!

Ich bin wirklich froh – und das meine ich tatsächlich auch sehr ernst –, dass die CDU heute hier einen Antrag einbringt, der sich um eine Gruppe von Menschen Gedanken macht, die eben zu den sogenannten Schwächsten in unserer Gesellschaft gehören, zumindest was ihre Lebensbedingungen betrifft. Wir sprechen hier von Menschen, die wohnungslos oder gar obdachlos sind.
Ich sage das in Zeiten der Pandemie, die insbesondere Menschen ohne Obdach massiv trifft, denn sie haben kein Zuhause, in das sie gehen können oder in dem sie bleiben können.

Ich sage das aber auch in Zeiten, in denen Ausgrenzung der Schwächsten und Stigmatisierung von Menschen auf der Straße leider immer noch zum Alltag gehören. Daher freuen wir uns Grüne natürlich immer, wenn die CDU das „C“ für christlich in ihrem Namen wieder mehr für sich entdeckt. Als Koalitionsfraktionen sind wir immer offen für einen konstruktiven Austausch und freuen uns an dieser Stelle über die Bereitschaft der CDU, hier gemeinsam mit uns an Lösungen zu arbeiten.

In Ihren beiden Anträgen – den einen haben Sie heute von der Tagesordnung genommen – zeigen Sie durchaus, dass Sie, liebe CDU-Kolleginnen und Kollegen, das Thema neu für sich entdecken, und da sage ich: lieber spät als nie!
Ein guter Ort dafür ist die Strategiekonferenz, die übrigens demnächst, am 30. September wieder stattfinden wird.
Ihr Antrag will nichts Schlechtes: Einen wirklichen Ansprechpartner oder eine wirkliche Ansprechpartnerin zu jeder Zeit in Fragen der Wohnungsnot zu haben, kann tatsächlich hilfreich sein, gerade auch, um Nachbarinnen und Nachbarn oder unsicheren Menschen eine gewisse Hilfe an die Hand geben zu können.
Ich würde direkt zustimmen, wenn wir nicht schon dieses Angebot – lieber Kollege Penn, Sie haben es kurz erwähnt – bereits seit dem Frühjahr auf den Weg gebracht hätten, nämlich die Karuna-Taskforce, die die berlinweit bekannte SOS-Hotline für obdachlose Menschen 24/7 bereits betreibt. Gestern habe ich dort mal probeweise anrufen lassen: Was passiert? Ist sie wirklich aktiv? Was wird angeboten?
Es wird ein Gespräch angeboten; es wird Essen angeboten. Es ist eine einladende Geste. Diese Nummer wird weiterhin plakatiert in der Stadt. Also gehen wir davon aus, dass es das Angebot weiterhin gibt.

Was wir allerdings machen müssen – und das können wir gern im Ausschuss oder wo auch immer zusammen machen –, ist, dieses Angebot zu evaluieren und gemeinsam zu schauen, ob und wie wir das gegebenenfalls verstetigen können. Das wäre für mich ein wichtiger Punkt in dieser Debatte.
Dabei gibt es in der Wohnungsnotfallhilfe bereits zahlreiche Baustellen, an denen wir weiterarbeiten müssen. Da bewegen wir schon einiges, würde ich sagen. Mit der Kehrtwende im sozialen Wohnungsbau beispielsweise, den Strategiekonferenzen, den neuen und zeitgemäßen Leitlinien, die nach, glaube ich, zwanzig Jahren nun endlich vorliegen, der neuen Statistik und dem GSDUProzess, den meine Kollegin bereits angesprochen hat, haben wir bereits einige wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht. Aber damit ist der Kampf gegen Obdachlosigkeit noch lange nicht gewonnen.

Ich will das an der Stelle noch mal klarmachen: Wir kämpfen nicht gegen Obdachlose, die wir vor unseren Balkonen verscheuchen und deshalb eine Nummer haben wollen. Wir kämpfen gegen strukturelle und systematische Defizite, und diese Defizite, liebe Kollegen von der CDU – das muss ich leider sagen – hat uns der letzte, von Ihnen mitregierte Senat überlassen.
Nun räumen wir in der Pandemiezeit unter Pandemiebedingungen einiges auf. Nicht immer kommen wir da so voran, wie wir uns das als Grüne an der einen oder anderen Stelle wünschen. Wir wollen eine systematische und strukturierte Umsteuerung in der Unterbringung von Menschen in dieser Stadt insgesamt, und zwar ohne Trennung in Gruppen. Dazu haben wir jüngst ein eigenes Papier veröffentlicht, und mit dem ständigen Verschiebebahnhof der Menschen muss an der Stelle endlich Schluss sein. Wir Grüne stehen für eine menschliche Stadt für alle. Sie sind herzlich gern eingeladen, daran mitzuarbeiten! Ich denke, den Rest werden wir gemeinsam im Ausschuss beraten. – Vielen Dank!

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