In meiner Rede am 20.02.2020 reagiere ich auf einen Antrag der FDP zu Fachkraftquoten und zur Bewertung der Pflegequalität. Hier meine Rede:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste!
Dass wir heute über Pflege sprechen, ist wichtig und gut, und ich freue mich, dass die FDP sich für die Pflege engagiert. Allerdings unterstützt Ihre Politik weder die pflegebedürftigen Menschen in Berlin, noch die Pflegekräfte, die jeden Tag eine gesellschaftlich existenzielle Arbeit für uns alle leisten. Sie fordern eine Flexibilisierung der Fachkraftquoten, was faktisch die Absenkung durch die Hintertür ermöglichen soll.
Beinahe täglich gibt es besorgniserregende Meldungen aus der Pflege. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganzer Stationen wechseln zu einem anderen Krankenhaus, weil die Arbeitsbedingungen vor Ort nicht stim-men. Krankenhäuser müssen Betten oder gesamte Stationen schließen, weil ihnen Pflegefachkräfte fehlen. Das betrifft auch die Charité, in den letzten Jahren mussten hier immer wieder Patientinnen und Patienten abgelehnt werden, vor Weihnachten hatte die Kinder-Onkologie vollständigen Aufnahmestopp.
Anfang des Jahres berichtete die Feuerwehr in Berlin, dass rund 20 bis 30 Prozent der Rettungseinsätze in Pflegeeinrichtungen vermeidbar sind.
Diese Einsätze finden statt, weil zu wenige Pflegekräfte da sind oder die, die da sind, einfach überlastet sind. Pflegeheime sind regelmäßig mit viel zu wenigen Fachkräften besetzt. Oft ist eine einzige Fachkraft für viele unter Umständen multimorbide Patientinnen und Patienten zuständig. Die Unterbesetzung mit Pflegefachkräften hat zur Folge, dass pflegebedürftige Menschen quasi wie Ware herumgereicht und verschoben werden, weil in Einrichtungen das Personal fehlt. Kinder müssen lange auf lebenswichtige Behandlungen warten, werden in weit entfernte Krankenhäuser verlegt und bekommen nicht die Versorgung, die sie brauchen. Nicht zuletzt die Vorkommnisse am Auguste-Viktoria-Krankenhaus verdeutlichen, dass die Pflege am Stock geht. Das ist eine unhaltbare Situation, und diese Situation war lange absehbar und vermeidbar. So hat die Charité jahrelang ohne Konsequenzen den Personalschlüssel in der Pflege unterschritten. Wir brauchen, das wird wieder deutlich, das sind klare Vorgaben an eine Fachkraftquote und Kontrollen zu deren Einhaltung.
Die FDP zielt mit ihrem Antrag auf eine faktische Absenkung der Fachkraftquote ab. Sie nennen es Flexibilisierung, aber es bedeutet für die Betroffenen eine Absenkung. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln, lieber Kollege, denn Sie stehen als FDP leider nicht auf der Seite der pflegebedürftigen Menschen oder der Pflegekraftfachkräfte. Sie betreiben aus meiner Sicht hier Lobbypolitik, und das ist mit uns nicht zu machen.
Für uns hat die Fachkräftesicherung eine hohe Priorität, damit menschenwürdige Bedingungen für Pflegebedürftige und Pflegefachkräfte sichergestellt werden können. Für eine gute Pflege in Berlin brauchen wir stattdessen gute Arbeitsbedingungen, die jungen und alten Pflege-fachkräften das Verbleiben in der Pflege ermöglichen, Arbeitszeitmodelle, die sie mit ihrem Leben vereinbaren können, echte Mitbestimmung, gute Löhne, von denen sie sowohl leben als auch eine Familie ernähren können, und Aufstiegsmöglichkeiten, damit uns qualifiziertes Personal nicht von Bord geht. Das sind nur einige wenige Beispiele vieler notwendiger Verbesserungen, die wir in der Pflege dringend brauchen und die wir allerdings als rot-rot-grüne Landesregierung tatsächlich angehen.
Bezüglich Ihrer Forderung nach einem zusätzlichen Instrument zur Qualitätskontrolle in Pflegeeinrichtungen möchte ich nur darauf hinweisen, dass wir bereits seit November 2019 ein neues Qualitätssystem für stationäre Pflegeeinrichtungen in Berlin haben. Dieses Instrument erfasst bereits die individuelle Versorgungssituation. Bei der in Arbeit befindlichen Novellierung des Wohnteilhabegesetzes setze ich mich klar für Regelkontrollen ein, denn hier geht es um besonders schutzbedürftige Menschen. Weitere Kontrollinstrumente sind aus unserer Sicht damit überflüssig wie diese Anträge auch. Daher unterstützen wir die Anträge nicht. – Vielen Dank!
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