Rede im Parlament zur Gewinnung von Pflegefachkräften

In meiner Rede in der Plenarsitzung am 05.03.2020 reagiere ich auf zwei Anträge der FDP zur Fachkräftegewinnung in der Pflege. Hier meine Rede:

Sehr geehrte Frau Präsidentin/ Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

Pflege ist immer aktuell und wird es bleiben, so lange wir bundesweit die Missstände nicht gezielt und zügig angehen. Das sehen wir dieser Tage insbesondere entlang der Thematik Corona.

Die Anträge der FDP zur Lösung des Fachkräftemangels und zur Stärkung des Pflegeberufs sind  jedoch widersprüchlich: Einerseits fordern Sie eine Massenanwerbung aus Vietnam, um die zukünftige Fachkräftelücke von 8.000 Pflegefachpersonen in Berlin zu schließen, andererseits wollen Sie, dass die Anwerbung aus einer – ich zitiere Ihre Antragsbegründung – „exotischen Destination“ – nicht helfen kann, das Problem des Fachkräftemangels zu lösen. Wissen Sie eigentlich noch, was Sie wollen?

Es kann nicht sein, dass Sie glauben, in quasi kolonialer Manier unsere hausgemachten Probleme in der Pflege durch die Bedienung aus anderen Staaten zu lösen. Sie fordern die Einrichtung eines eigenen Ausbildungscampus, um dort gezielt Fachkräfte aus Vietnam auszubilden – junge Menschen, die aufgrund der Isolierung Schwierigkeiten haben werden, deutsch zu lernen und hier anzukommen. Sie werden in Vietnam in der Gesundheitsversorgung fehlen.
Unsere hausgemachten Probleme auf Kosten anderer Länder zu lösen und dort die Gesundheitsversorgung auszubluten, machen wir nicht mit!

Auch die Anwerbung von Pflegefachkräften aus anderen Ländern ist mäßig: Diese bleiben oft nicht in Deutschland, wenn sie die Arbeitsbedingungen in der Pflege kennenlernen und feststellen, dass sie in ihren Heimatländern ein weit höheres Ansehen, bessere Arbeitsbedingungen und weiterreichende Verantwortung haben.

Ganz abgesehen davon dürfte Deutschland aufgrund des rasant wachsenden Rassismus gerade keinen guten Leumund in der Welt haben.

Ihrem zweiten Antrag, „Ein starkes Land braucht eine starke Pflege“ kann ich voll und ganz zustimmen, denn wir brauchen eine starke Pflege, um Pflegebedürftigen eine angemessene Versorgung und ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Aber was meint „eine starke Pflege“?

Die seit diesem Jahr geltende generalistische Ausbildung ist ein wichtiger Schritt zu einer zeitgemäßen Ausbildung von Pflegefachkräften. Sie trägt dazu bei,  dass Alten- und Krankenpflegefachkräfte auf einem einheitlichen Qualifikationsniveau ausgebildet und sich entsprechend der Vergütung und Arbeitsbedingungen angleichen.
Und wer war gegen diese Reform? Die FDP!
Sie stehen für eine 2-Klassen-Ausbildung in der Pflege, mit der die Altenpflege klein gehalten, schlechter bezahlt und weniger wertgeschätzt wird.

Was wir hingegen brauchen und wofür ich mich einsetze, sind durchlässige Ausbildungs- und Weiterbildungsstrukuren bis hin zu Studienabschlüssen, um Aufstiegsmöglichkeiten auf allen Stufen sicher zu stellen.
Mit den neu geschaffenen Bachelorstudiengängen Pflege in Berlin ist ein weiterer Schritt hierzu gemacht, um die Pflege breit und professionell aufzustellen.
Wir haben in Berlin sehr viele Jugendliche, die ohne Ausbildung und ohne berufliche Perspektiven sind, und wir haben junge Menschen, die in die Pflege wollen. Deshalb müssen wir Bedingungen schaffen,  dass ihnen dieser Weg offen steht UND sie im Pflegeberuf verbleiben können. Ja, wir brauchen eine starke Pflege:

Das bedeutet: Eine hochwertige Ausbildung mit Durchlässigkeit auf allen Qualifikationsstufen und der Möglichkeit von Studienabschlüssen.
Eine starke Pflege bedeutet leistungsgerechte, tarifgebundene Entlohnung.
Und eine starke Pflege bedeutet eine Selbstvertretung durch Pflegekammern, damit der Pflege Möglichkeiten zur Vertretung ihrer Anliegen und Professionalisierung gegeben sind. Dagegen haben Sie sich deutlich positioniert!

Ihre Anträge lehnen wir, da sie von der Realität überholt, widersprüchlich und nicht zielführend sind, ab.

Verwandte Artikel